© Bernd Perlbach, Preetz

250 Jahre Kellinghusener Fayencen 1764 - 2014

Als Fayence werden Keramiken bezeichnet, die eine weiße, deckende und zinnhaltige Glasur aufweisen. Der Begriff leitet sich von der italienischen Stadt Faenza her. Dort wurden bereits im 16. Jahrhundert Fayencen hergestellt, um das kostbare weißgrundige Porzellan nachzuahmen.  

Im Verlauf des 18. Jahrhunderts sind auch in zahlreichen Orten Schleswig-Holsteins Fayencemanufakturen eingerichtet worden. So wurden mit königlich dänischem Privileg die Manufakturen in Schleswig, Altona, Criseby-Eckernförde, Kiel, Rendsburg, Kellinghusen und Stockelsdorf gegründet. Die Betriebe stellten in erster Linie repräsentatives Tafelgeschirr her, das im Vergleich zum teuren Porzellan recht preiswert war.

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Der Beginn der Produktion

Die Kunst der Fayence-Herstellung ist durch den Fayencemaler und -modellierer Sebastian Heinrich Kirch (um 1711 – 1768) nach Kellinghusen gelangt. Kirch gehörte zum Typus der für das 18. Jahrhundert so charakteristischen Wanderkünstler, die unstet von einer Manufaktur zur anderen zogen und dabei ihre Kenntnisse laufend erweiterten und vervollkommneten. So ist er zunächst in Braunschweig nachgewiesen, arbeitete in Hannoversch-Münden, hinterließ als "Meisterknecht" seine Spuren in der Manufaktur in Vegesack und wirkte 1760 in Jever. Schließlich wurde er 1763 in Kellinghusen sesshaft.

Der Ort bot die natürlichen Voraussetzungen für eine keramische Produktion: Hier befanden sich Tonvorkommen von herausragender Qualität, und das nötige Brennmaterial lieferten die Wälder auf den umliegenden Höhenzügen. Lediglich die für die Herstellung unabdingbaren Zutaten wie Salz, Blei und Zinn sowie die Farben mussten von auswärts bezogen werden. Zudem bot die an Kellinghusen vorbeifließende und bis zur Elbe schiffbare Stör einen günstigen Handelsweg.   

Die Gründung der ersten Kellinghusener Manufaktur datiert vom 13. Juli 1764. In einem an diesem Tag geschlossenen Vertrag verpflichteten sich die Kellinghusener Einwohner Carsten Behrens, seine Schwester Anna Büntzen und der königliche Lagerverwalter Wulff Friedrich Linckhusen, das Kapital für eine "Fayence-Fabrique" zur Verfügung zu stellen, während der Fayence-Fachmann Kirch die Beschaffung der Gerätschaften und die technische Vorbereitung zusagte. Noch im gleichen Jahr wurde mit der Produktion begonnen und 1765 das Privileg der dänischen Regierung erteilt.

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Die Sonderstellung der Kellinghusener Fayence

Bereits nach wenigen Jahrzehnten mussten die meisten schleswig-holsteinischen Fayence-Manufakturen schließen. Zum einen fehlte es an der Bereitschaft der Hersteller, die veralteten Formen und Dekore zu erneuern, zum anderen stockte der Absatz, denn gegen Ende des 18. Jahrhunderts eroberten sich das Porzellan und das in England industriell hergestellte Steingut ihren Platz auch in breiteren Bevölkerungskreisen.
Eine Ausnahme bildete Kellinghusen: Die Manufakturen des kleinen Ortes hatten es verstanden, sich rechtzeitig auf neue Käuferschichten einzustellen. Den äußeren Anlass bildete die von Napoleon gegen Großbritannien 1806 verhängte Kontinentalsperre. Dadurch war zumindest vorübergehend der Import des billigen englischen Steinguts in die Herzogtümer unterbunden worden. Die Kellinghusener Betriebe gaben die Produktion hochwertiger Einzelstücke auf und stellten sich konsequent auf preiswerte, aber qualitätvolle Massenware um. Kellinghusener Fayence gelangte per Schiff und Fuhrwerk in die Herzogtümer, nach Hamburg, Dänemark und in das nördliche Hannover. So konnte die Herstellung bis um 1860 aufrechterhalten werden. Kellinghusen nimmt somit eine Sonderstellung innerhalb der schleswig-holsteinischen Fayenceproduktion ein. 

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Produkte, Formen und Dekore

Generell lassen sich in Kellinghusen zwei Produktionsphasen unterscheiden: In den ersten Jahrzehnten wurde ein recht vielfältiges Warenangebot hergestellt, bestehend aus feingeformten, manganviolett und blau bemalten Gefäßen und Ziergeschirren, aber auch Kleinplastiken, Uhrenhalter und Potpourrivasen.
Diese aufwendig hergestellten Einzelstücke wurden in der zweiten Herstellungsphase ab Anfang des 19. Jahrhunderts durch qualitätvolle Serienprodukte abgelöst. Man beschränkte sich nun auf wenige, einfache Formen wie Teller, Schüsseln, Kummen und Bügelhenkeltöpfe. Etwa um 1800 erhielten die Teller zunächst einen schmalen gelben Randstreifen, der etwa ab 1820 die gesamte Fahne, d.h. den flachen Rand des Tellers, überdeckte. Den Spiegel, d.h. den Tellerfond, zierten nun schematisierte Blumen- und Früchtemotive sowie Vogel- und Architekturbilder. Die Stücke des 19. Jahrhunderts haben einen farbenfrohen, volkstümlichen Charakter und sind bunt in Manganviolett, Blau, Grün, Rot und Gelb bemalt.
Zudem sind auch in großem Umfange Fliesen produziert worden. Überhaupt scheint Kellinghusen der einzige Ort in Schleswig-Holstein mit einer nennenswerten Fliesenproduktion gewesen zu sein. Neben Nachahmungen niederländischer Motive finden sich auch große, zu Flächenmustern zusammengesetzte Sterne und Rosetten. Darüber hinaus entstanden auch völlig eigenständige Entwürfe mit Ranken und Blüten.

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Unternehmer, Künstler, Handwerker

Insgesamt existierten in Kellinghusen zwischen 1764 und 1860 sechs Betriebe. Die Besitzer der Werkstätten waren zumeist einheimische Gewerbetreibende.

Aber auch ausgebildeten Fachkräften gelang es, sich als Unternehmer zu etablieren. So waren zwei Fayencemaler, die Brüder Christian und Georg Geppel, 1773 aus Rendsburg nach Kellinghusen gekommen, um zunächst für zehn Jahre in der ersten Manufaktur zu arbeiten. 1783 gründeten die Brüder Geppel gemeinsam die zweite Kellinghusener Manufaktur. Bereits vier Jahre später schied Georg Geppel aus dem gemeinschaftlichen Unternehmen aus und gründete einen eigenen, den dritten Kellinghusener Betrieb. Der ältere Bruder baute hingegen das vorhandene Haus an der Lindenstraße: Der Keller nahm die Dreherei und Formerei sowie einen der Brennöfen auf, im Erdgeschoß waren die Malerstuben untergebracht. Ein Aufzug verband beide Stockwerke miteinander. Die übrigen Räume dienten als Wohnungen. Die  Struktur der einzelnen Werkstätten wies erhebliche Unterschiede auf: Der kleinste Betrieb hatte drei, der größte zeitweilig 25 Beschäftigte.

© Stadt Kellinghusen

Signaturen

Die Zuordnung der Erzeugnisse zu den einzelnen Werkstätten ist problematisch, da nur wenige Stücke mit einer Signatur versehen sind. Die besseren Waren des 18. Jahrhunderts wurden bisweilen mit der für Schleswig-Holstein üblichen Leitersignatur gekennzeichnet: „KH“ für den Herstellungsort, darunter die jeweilige Manufaktur, z.B. „B“ für die 1. Manufaktur, nach dem damaligen Inhaber Carsten Behrens, und zuunterst, seltener, der Anfangsbuchstabe des Malers bzw. des Modelleurs. Zwischen 1812 und 1814 benutzte man auf Grund des behördlich vorgeschriebenen Markenzwangs für alle Kellinghusener Werkstätten ein „K“. Nur in Ausnahmefällen findet sich eine voll ausgeschriebene Malersignatur.

Auf Dauer jedoch konnten die handwerklich produzierten Fayencegeschirre nicht dem Konkurrenzdruck des industriell hergestellten englischen Steinguts standhalten. Die letzten datierten Stücke stammen aus der Mitte des 19. Jahrhunderts. Heute werden die historischen ortstypischen Fayencen im Museum gesammelt und gezeigt.